Donnerstag, 22. September 2016

Fortsetzung 3 - Der Bibliothekar

Ich hatte sie restauriert - gebeizt, geölt und die fehlenden Griffe ersetzt. Nun glänzte sie in voller Pracht und strahlte mit dem Raum um die Wette. Die Party war ein voller Erfolg.
Als spätnachts die letzten Gäste gegangen waren, genoss ich den Blick auf den fasst vollen Mond, der mit den Sternen ein sanftes Licht auf den Boden warf. Die Frage nach dem Mädchen und dem alten Mann drängte sich wieder in mein Bewusstsein und schlich durch die Stille der Nacht, wie ein leiser Nachhall des vergangenen Tages. Ich setzte mich gedankenversunken auf die Couch und fiel in einen Traum, der mir eine Lösung auf diese Frage anbot. 
Ich befand mich auf einer duftenden Blumenwiese, deren Gräser so hoch waren, dass sie mich an den Knien kitzelten.  Ein leises Summen und Brummen gab mir zu verstehen, dass ich nicht alleine war. An den linken Rand der Wiese schloss ein lichter Wald an. Doch unmittelbar vor mir, stand ein weißes, achteckiges, fast rund anmutendes Gebäude mit einem kuppelartigen Dach, dass ich zuvor gar nicht wahrgenommen hatte. Durch die Wiese führte ein kurzgeschnittener Grasweg auf die dunkle rechteckige Tür des Gebäudes zu. Ich trat ein und war gespannt, was mich erwarten würde. Unterhalb des gewölbten Daches waren bunte Glasfenster in das Mauerwerk eingelassen, um Tageslicht in verspielter Form in den Raum zu lenken. Vor den Wänden standen meterhohe Bücherregale, in denen sich abertausende Bücher aneinander reihten. Große, schwere, alte, dicke, schmälere, mit Ledereinband oder nur in Papier eingeschlagene Seiten und Bücher füllten die Regale bis oben hin. Lange Bibliotheksleitern und schmale Rundumgänge auf den verschiedenen Höhen erleichterten das Stöbern in dieser Bücherfülle. In der Mitte des Raumes stand ein altes Stehpult auf dem ein aufgeschlagenes schweres Buch lag... 

Montag, 12. September 2016

Fortsetzung 2 – Der Bibliothekar

Vor einer großen geöffneten Truhe aus Holz mit starken eisernen Beschlägen, kniete, mit mir zugewandtem Rücken, ein alter Mann. Seine grauen Haare waren zu einem dünnen Zopf zusammengebunden. Er war so vertieft in das Durchsuchen seiner Truhe, dass er mich nicht bemerkte. Ich erhaschte einen Blick in das Innere seiner Kiste. Dort sah ich mehrere alte Seefahrts- und Navigationsgeräte und eine Vielzahl an alten Büchern mit groben Ledereinbänden. Er kramte selbstvergessen darin herum, vielleicht um sie zu ordnen oder auch, um etwas nachzuschlagen. Nun trat ich in seinen Blickwinkel und er drehte den Kopf. Ich bemerkte sofort, dass er asiatische Gesichtszüge hatte und uralt sein musste. Wie alt er wirklich war, das konnte ich schwer schätzen. Sein Gesicht war von tiefen Furchen durchzogen, doch seine Augen blitzten mich jung, jedoch wissend und voller Wärme an. Er verstand mich auch ohne zu sprechen. Plötzlich bemerkte ich, dass ein Sturm aufgezogen war und sich das Schiff heftig hin und her bewegte. Ich versuchte meine Balance zu halten, um nicht zu stürzen.  

Als ich mich kurz umblickte, ob sich vielleicht noch jemand hier befand, den ich noch nicht bemerkt hatte, war der alte Chinese samt seiner Truhe plötzlich verschwunden. Ein seltsames Gefühl überkam mich. Auch diesen alten Mann hatte ich noch nie zuvor gesehen und doch hatte er, wie selbstverständlich, zusammen mit den mir bekannten Menschen meine Kajüte aufgesucht. Nun hatte ich die Gelegenheit verpasst das junge Mädchen und den alten Mann über ihre Herkunft zu befragen. Sie waren fort und ich wusste nichts.


Auf einmal empfand ich das Dunkel im Raum zu erdrückend. Die Luft war feuchtkalt und abgestanden und ich ging zu einer Luke, um Licht und Frische herein zu lassen. Was absurd war, den ich befand mich ja am tiefsten Punkt des  Schiffes, dass in einem Hafen vor Anker lag! Gerade als ich diesen Gedanken zu Ende gedacht hatte, veränderte sich die Szenerie. Aus der engen Kajüte im Bauch des Schiffes wurde ein lichtdurchfluteter Raum im Dachgeschoss meines Rüchzugsort-Hauses. Halbrunde Fenster, die bis zum boden reichten, gaben den Blick in eine hügelige Landschaft frei. Flüsse durchzogen die grünen Wiesen und Felder und die Sonne strahlte vom blauen Himmel, über den sich ab und an kleine lustige Schäfchenwolken schoben, angestupst von einem sanften milden Frühsommerwind. Der Raum dehnte sich über das gesammte Dachgeschoss und die darüberliegende Decke wurde durch 2 Säulen gestützt. Ein heller Holzboden lud zum Tanzen und Springen ein und die weißen Wände spiegelten die Frische des Tages wieder. In der hinteren rechten Ecke des Raumes stand eine gemütliche, weiße, großzügige, moderne Sitzgarnitur auf der einige Leute, mit Getränken in der Hand, sich freudig unterhaltend lümmelten. Anlass war die Einweihungsparty für meinen neuen großen Saal! In der anderen hinteren Ecke des Raumes standen zwei Kleiderständer auf denen Kostüme hingen und daneben hatte meine Kommode aus der Kajüte ihren Platz gefunden.... Fortsetzung 3 folgt

Donnerstag, 8. September 2016

Fortsetzung 1 – Der Bibliothekar

... Es drängte mich, schleunigst aufzuräumen, denn es blieb ja kaum Platz für meine eigenen Sachen übrig. Nach und nach bat ich meine Familie, meine Freunde und Bekannten sich für ihre Dinge doch einen anderen Platz zu suchen, wo sie alles unterbringen konnten. Als sich der kleine Schiffsraum fast geleert hatte, entdeckte ich in einem versteckten Winkel eine alte Holzkommode mit mehreren Schubladen.
Ich öffnete die oberste und nahm ein weißes Taufkleid heraus. In dem Moment, als ich es berührte, wusste ich, dass es mein eigenes war. Ich wurde wehmütig und winzige Tränen drängten sich in meine Augen: „Wo ist die Zeit hingekommen seit meinen ersten Tagen hier auf Erden? Hätte ich nicht viel mehr aus meinem bisherigen Leben machen können?“ Meine Hoffnungen, Wünsche und Sehnsüchte der Jugend hatten sich nicht erfüllt. Behutsam legte ich das Kleid an seinen Platz zurück und schloss die Lade wieder.
Ich atmete kurz durch, um mich wieder zu fangen, bevor ich bereit war auch die anderen Laden zu öffnen. Es kam noch ein weißer Blumenkranz mit Krone zum Vorschein sowie ein Paar kleine weiße Schuhe. Dieses Möbelstück, mitsamt seinem Inhalt, sollte auf jeden Fall einen besonderen Platz in meiner Kajüte bekommen. Als ich mit meiner Inspektion fertig war, nahm ich meine Umgebung erst wieder bewusst war.
Unter der Treppe stand ein junges Mädchen, dass den Lenker eines kleinen rosa Fahrrades umklammert hielt. Ihre großen traurigen Augen blickten mich an, so als ob sie fragen wollte, ob auch sie gehen musste. Mit einem stummen Nicken gab ich ihr zu verstehen, dass es nun auch für sie an der Zeit war. Sie holperte und stolperte die Holztreppe hinauf, das kleine rosa Fahrrad im Schlepptau. Wer war dieses Mädchen? Sie dürfte kaum älter als 5-6 Jahre gewesen sein. Bevor ich noch länger darüber nachdenken konnte, nahm ich eine weitere Person war, die bisher unbemerkt geblieben war... Fortsetzung 2 folgt

Samstag, 3. September 2016

Der Bibliothekar

Ich öffnete eine Kajütentür, hinter der ich Stimmengewirr, Lachen und Fröhlichkeit vernahm. Die kleine illust´re Gesellschaft von Künstlern und Schauspielern nahm keine Notiz von meinem Eintreten. Es herrschte ein ziemliches Durcheinander: Kostüme, Kleiderständer und Kleiderhaken lagen bunt durcheinandergewürfelt im ganzen Kajütenraum verteilt. Doch es war ein sympathisches Chaos, da die Darsteller gerade dabei waren sich anzukleiden und alles relativ schnell gehen musste, war an eine penible Ordnung kein Gedanke zu verschwenden. Lautstark wurden Texte deklamiert oder Späße gemacht, um die Spannung vor Vorstellungsbeginn irgendwie abzubauen. 
In diesem energetisierenden Wirrwarr suchte ich mir meinen Weg zur hintenliegenden Kajütentür, die weiter in den Schiffsrumpf hinab führte. Zu jeder anderen Zeit wäre ich traurig gewesen, nicht Teil dieser Truppe zu sein, doch heute wusste ich, dass es eine wichtigere Mission für mich gab. Ich konnte zwar noch nicht sagen warum, und was diese Mission bezweckte, aber unterbewusst war mir klar, dass es für mich wichtig war heute nicht durch meinen Beruf oder meine Arbeit abgelenkt zu sein. Ich bahnte mir meinen Weg durch das bunte Treiben und drückte die Klinke der kleinen braunen Holztür. 
Gleich dahinter ging es einige steile Stufen in den untersten Schiffsrumpf hinunter. Bei der spährlichen Beleuchtung musste ich aufpassen, dass ich nicht eine der schmalen Treppen übersah, um nicht hinunter zu stürzen. Die Lichtverhältnisse dort unten waren ziemlich dunkel und anfangs konnte ich gar nichts ausnehmen. Bald jedoch gewöhnten sich meine Augen an den difusen Lichtzustand und ich war erstaunt darüber, wie viel Gerümpel ich erkennen konnte. Nicht, dass das alles meine Dinge gewesen wären, nein, die Sachen gehörten auch jenen Menschen, die mir im Laufe meines Lebens begegnet waren und die sich hier bei mir einen Platz zum Abladen ihrer Sachen genommen hatten. Vielleicht hatte ich es ihnen auch erlaubt, ich kann mich nicht mehr daran erinnern. ... Fortsetzung 1 folgt

Mittwoch, 31. August 2016

Lyrik-zwei Füße

Zwei Füße, sie waren so klein und so zart
sie konnten nicht laufen, der Weg war zu hart
Zwei Füße, sie wuchsen und formten sich aus
sie tanzten und hüpften geschwind aus dem Haus
Zwei Füße, sie liefen und sprangen dahin
sie waren für alle ein großer Gewinn
Zwei Füße, sie lebten und arbeiteten viel
sie gingen und kamen doch nie ans Ziel
Zwei Füße, sie fielen und verletzten sich sehr
sie schmerzten und weinten und konnten nicht mehr
Zwei Füße, sie heilten und wurden gesund
sie bewegten sich dankbar nun Stunde um Stund
Zwei Füße, sie waren schon alt und verdorrt
sie konnten nicht gehen und blieben am Ort
Zwei Füße, sie saßen und wippten zum Klang
sie spürten wie die Zeit unter ihnen zerrann
Zwei Füße, sie starben und ruh´n sich nun aus
sie liegen zusammen im ewigen Haus                       Elisabeth Leeb