Montag, 12. September 2016

Fortsetzung 2 – Der Bibliothekar

Vor einer großen geöffneten Truhe aus Holz mit starken eisernen Beschlägen, kniete, mit mir zugewandtem Rücken, ein alter Mann. Seine grauen Haare waren zu einem dünnen Zopf zusammengebunden. Er war so vertieft in das Durchsuchen seiner Truhe, dass er mich nicht bemerkte. Ich erhaschte einen Blick in das Innere seiner Kiste. Dort sah ich mehrere alte Seefahrts- und Navigationsgeräte und eine Vielzahl an alten Büchern mit groben Ledereinbänden. Er kramte selbstvergessen darin herum, vielleicht um sie zu ordnen oder auch, um etwas nachzuschlagen. Nun trat ich in seinen Blickwinkel und er drehte den Kopf. Ich bemerkte sofort, dass er asiatische Gesichtszüge hatte und uralt sein musste. Wie alt er wirklich war, das konnte ich schwer schätzen. Sein Gesicht war von tiefen Furchen durchzogen, doch seine Augen blitzten mich jung, jedoch wissend und voller Wärme an. Er verstand mich auch ohne zu sprechen. Plötzlich bemerkte ich, dass ein Sturm aufgezogen war und sich das Schiff heftig hin und her bewegte. Ich versuchte meine Balance zu halten, um nicht zu stürzen.  

Als ich mich kurz umblickte, ob sich vielleicht noch jemand hier befand, den ich noch nicht bemerkt hatte, war der alte Chinese samt seiner Truhe plötzlich verschwunden. Ein seltsames Gefühl überkam mich. Auch diesen alten Mann hatte ich noch nie zuvor gesehen und doch hatte er, wie selbstverständlich, zusammen mit den mir bekannten Menschen meine Kajüte aufgesucht. Nun hatte ich die Gelegenheit verpasst das junge Mädchen und den alten Mann über ihre Herkunft zu befragen. Sie waren fort und ich wusste nichts.


Auf einmal empfand ich das Dunkel im Raum zu erdrückend. Die Luft war feuchtkalt und abgestanden und ich ging zu einer Luke, um Licht und Frische herein zu lassen. Was absurd war, den ich befand mich ja am tiefsten Punkt des  Schiffes, dass in einem Hafen vor Anker lag! Gerade als ich diesen Gedanken zu Ende gedacht hatte, veränderte sich die Szenerie. Aus der engen Kajüte im Bauch des Schiffes wurde ein lichtdurchfluteter Raum im Dachgeschoss meines Rüchzugsort-Hauses. Halbrunde Fenster, die bis zum boden reichten, gaben den Blick in eine hügelige Landschaft frei. Flüsse durchzogen die grünen Wiesen und Felder und die Sonne strahlte vom blauen Himmel, über den sich ab und an kleine lustige Schäfchenwolken schoben, angestupst von einem sanften milden Frühsommerwind. Der Raum dehnte sich über das gesammte Dachgeschoss und die darüberliegende Decke wurde durch 2 Säulen gestützt. Ein heller Holzboden lud zum Tanzen und Springen ein und die weißen Wände spiegelten die Frische des Tages wieder. In der hinteren rechten Ecke des Raumes stand eine gemütliche, weiße, großzügige, moderne Sitzgarnitur auf der einige Leute, mit Getränken in der Hand, sich freudig unterhaltend lümmelten. Anlass war die Einweihungsparty für meinen neuen großen Saal! In der anderen hinteren Ecke des Raumes standen zwei Kleiderständer auf denen Kostüme hingen und daneben hatte meine Kommode aus der Kajüte ihren Platz gefunden.... Fortsetzung 3 folgt

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